MƐTA-weise über Übersetzernachlässe

Vor sechs Monaten veröffentlichten die Presse de l’université de Montréal mit der Ausgabe 66-1 der Zeitschrift MƐTA eine Art Sondernummer zum Thema Übersetzernachlässe oder Archive. Beachtliche 237 Seiten unter der Regie der beiden Pariser Dozenten Anthony Cordingley und Patrick Hersant. Bereits im September 2020 hatte Anthony Cordingley in der Zeitschrift Palimpsestes den Aufsatz „Tophoven’s dream: a prototype for genetic translation studies“ veröffentlicht. Damit brach der Beckett-Spezialist in der angelsächsischen Welt eine Lanze für die übersetzungstheoretische Arbeit von Elmar Tophoven. Patrick Hersant ist der Verantwortliche für die Arbeitsgruppe „Multilinguisme, Traduction, Création“ im Rahmen des „Institut des textes et manuscrits modernes“ (item). Dort stellte die Doktorantin Solange Arber am 7. Januar 2020 den Stand ihrer Dissertation über Elmar Tophoven und das transparente Übersetzen vor. Die in META abgedruckte Arbeit zum Thema des Tophoven-Archivs wurde von Solange Arber zusammen mit Erika Tophoven im Laufe des Jahres 2019 in Angriff genommen. Also wenige Monate nach der Zusammenführung des Tophoven-Archivs aus Paris und Berlin in Straelen am Niederrhein. Im September 2019 statteten die Antwerpener Beckett-Forscher Pim Verhulst, Olga Beloborodova und Dirk van Hulle dem Tophoven-Archiv einen Besuch ab, der ein Echo in ihrem Beitrag in der MƐTA-Ausgabe fand. Folglich ist die Ausgabe 66-1 besonders eng mit dem Tophoven-Archiv verknüpft. Auch die drei Interviews mit den Verantwortlichen des Literatur- Archivs in Marbach, der IMEC in Caen und der Lilly Library in Bloomington (Indiana) stehen in einem engen Bezug zum Straelener Archiv. In der Lilly Library sammelte Breon Mitchell zahlreiche Manuskripte zum Nouveau Roman, insbesondere zum Werk von Nathalie Sarraute; in Marbach findet man nicht zuletzt infolge der Archivierung des Suhrkamp-Materials zahlreiche Spuren der Arbeitskorrespondenz von Elmar und Erika Tophoven mit dem Verlag; der Forschungstermin von Erika Tophoven bei der IMEC musste wegen Covid leider abgesagt werden.

Infolge der Pandemie ist Vieles ins Stocken geraten. Auch die Besuche von Interessenten des Tophoven-Archivs in Straelen fielen über ein Jahr lang aus. Doch die Zeit verging nicht ungenutzt: Es entstanden eine Reihe von Untersuchungen im Zusammenhang mit Paul Celan, mit Gedichten von Samuel Beckett und seinem Roman WATT. Es entstand ein langer poetischer Text über den jungen Tophoven, noch im Kriegsdienst am Niederrhein, seine Gefangennahme und kulturellen Aktivitäten im Lager (Stacheldraht-Express, Theater, Übersetzungen). Ferner wurde in einem wissenschaftlichen Essay sein Verhältnis zu dem international anerkannten Übersetzungstheoretiker Antoine Berman analysiert.

Es ist eine erfreuliche Feststellung, dass ein Übersetzerarchiv sich auch bei Pandemie-Einschränkungen bewährt, erst recht, wenn es im vergangenen Jahr noch durch die Breuer-Collection der Universität Paderborn ergänzt wurde. Mögen Interessenten nah und fern sich bald persönlich davon überzeugen können, wie anregend ein privates Übersetzerarchiv sein kann.