Solange Arber : Genèses d’une œuvre de traducteur – Elmar Tophoven et la traduction transparente

Pünktlich zum 100. Geburtstag von Elmar Tophoven erschien bei den Presses Universitaires François Rabelais die Dissertation von Solange Arber zu Elmar Tophoven und das transparente Übersetzen. Die Veröffentlichung ist Teil der Sammlung „Traductions dans l’histoire“, ausgehend von der germanistischen Forschergruppe TraHis der Universität Tours unter der Leitung von Professor Bernard Banoun.

Der Begriff Genèses verweist auf den heute besonders lebendigen Forschungszweig der Textgenese und lange Arber wendet ihn auf den Bereich der Übersetzung an. Genèse heisst Genesis, Entstehungsgeschichte, Entfaltung, Ausprägung. Der Begriff steht hier im Plural, weil der zweite Teil der Dissertation mit soziologischem Werkzeug auf die Entwicklung Elmar Tophovens zum Übersetzer eingeht. Der dritte Teil behandelt das Archiv unter dem Aspekt der Entstehungsgeschichte und auch inhaltlich als ein Archiv von Entstehungsprozessen. Vorausgegangen ist im ersten Teil ein biographischer Ansatz, der auch mithilfe der Zeitzeugin Erika Tophoven treffend ausgearbeitet werden konnte.

Solange Arber gehört zur Elite der französischen Germanisten. Sie ist eine "normalienne", früher „Sèvrienne“, also ehemalige Studentin der Hochschule Ecole Normale Supérieure, und sie ist agrégée, d.h., sie hat das scharfe Ausleseverfahren des Staatsexamens erfolgreich überstanden. Ihr Doktorvater Bernard Banoun unterrichtet an der Sorbonne, und ihre Doktormutter ist Professor Irene Weber-Henking in Lausanne, so dass die am 12 Dezember 2020 verteidigte Dissertation ihr einen doppeltenan Doktortitel einbrachte. Während der vielen Jahre an der Dissertationsarbeit veröffentlichte Solange Arber zahlreiche Fachbeiträge. Die Verteidigung verlief besonders gut, so dass die Dissertation ausgezeichnet und Solange Arber prompt als Dozentin bei der Universität Amiens eingestellt wurde. Die ungewöhnliche Beschäftigung mit der Arbeit eines Übersetzers stand dem nicht im Wege. Für das Tophoven Archiv ist es eine Ehre, dass Elmar Tophovens Tätigkeit von einer so vielversprechenden Forscherin Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung wurde.

Ein Doktortitel wird Forschern in Frankreich nicht nachgeworfen. Die Akribie, mit der Solange Arber sich ihrem Thema über mehrere Jahre widmete, zeugt von höchstem Niveau und ist mit den Ergebnissen der besten deutschen Forscher vergleichbar. Aber hinzu kommt noch ein Quentchen Geist. Der Einstieg in die Dissertation ist kunstvoll gestaltet, vor allem aber gipfelt die Analyse der Zettelkästen, die bei der Übersetzung von Nathalie Sarrautes Romanen entstanden, in einem verblüffenden Kapitel über die Ellipsen der Autorin. Es ist sehr elegant, eine solche wissenschaftliche Arbeit somit bis zur Ebene der Wortlosigkeit zu führen.

Eine Übersetzung dieser ersten wissenschaftlichen Arbeit über Elmar Tophovens Methode des transparenten Übersetzens würde sich lohnen, aber die germanistischen Mühlen der Übersetzungswissenschaft mahlen langsam. So ensteht erst jetzt die Übersetzung von Antoine Bermans Epreuve de l’Etranger, seine Erweiterung einer Dissertation, die seit 40 Jahren in viele Sprachen übersetzt wurde, zuletzt ins Chinesische. Insofern trägt Solange Arbers Beschäftigung mit der Arbeit eines deutschen Übersetzers keine Eulen nach Athen. Interessant wäre zudem ein Vergleich mit einer romanistischen Dissertation zu einem französischen Übersetzer aus dem Deutschen, falls es in den deutschen Universitäten so etwas schon gibt und man wahrgenommen hat, dass auch unter der Federführung von Bernard Banoun (20 JH., sonst unter der Leitung von Yves Chevrel et Jean-Yves Masson) eine mehrbändige Geschichte der französischen Übersetzung abgeschlossen wurde, die einem Wunsch des früh verstorbenen Antoine Berman entspricht und der französischen Übersetzungswissenschaft eine führende Rolle verschafft. Kaum einer hätte gedacht, dass gerade im Land der „belles infidèles“ so etwas möglich werden konnte.

Wie Elmar Tophoven es zeitlebens befürchtete, scheint die Übersetzung nun weitgehend von der künstlichen Intelligenz beherrscht zu werden. Karteikärtchen zu Übersetzungsproblemen von Romanen des Nouveau Roman werden von der Linguistik nicht mehr gebraucht. Selbst die Übersetzungswissenschaft verliert heute ihre epistemologischen Grundlagen. Die Übersetzertätigkeit steht oben auf der Liste der zahlreichen Berufe, die heute von der KI übernommen werden. Somit zeugt Solange Arbers Bemühen nicht so sehr von einem späten Beitrag zur französisch-deutschen Übersetzungswissenschaft sondern eher von einem Vorstoß in den noch frischen wissenschaftlich-humanen Bereich der künstlerischen Intelligenz.