Warum die Franzosen besser übersetzen

 

Warum die Franzosen besser übersetzen


(JT) Nach der Podiumsdiskussion zum Thema Übersetzernachlässe sind wir durch die Messe geschlängelt und irgendwann kamen wir beim Pavillon des Gastlandes an. Dort fand gerade ein Gespräch zwischen dem Autor Hartmut Rosa und seiner jungen und klugen französischen Übersetzerin Sarah Raquillet statt. Wir kannten weder Werk noch Autor und das Gespräch war anscheinend schon lange im Gang. Aber wir trauten unseren Ohren nicht, Sarah Raquillet dokumentierte ihre Übersetzungsentscheidungen genau so, wie man sich das vorstellen kann, wenn man anfängt, seine eigene Arbeit zu dokumentieren. Oder wie Elmar Tophoven das über die Jahre in vielen Vorträgen immer wieder belegte, um es im Übersetzerkollegium auch mit den Kollegen umsetzen und weiterentwickeln zu wollen. Nicht, dass seitdem deutsche Übersetzer es versäumt haben, solche Ansätze zu verfolgen und Interessantes aus der Berufspraxis zu berichten. Aber die französischen Übersetzer sind vielleicht einfach deshalb eine Länge voraus, weil die Franzosen schon seit eh und je mit der Übersetzung deutschsprachiger Philosophie und Psychoanalytik konfrontiert waren, und dabei auch nicht so einfach auf Komposita zurückgreifen können. Ein erfreuender Moment ! Man hatte sich schon darauf eingestellt, dass Frankreich und der frankophone Raum versuchen würde, das deutsche und international Publikum darüber zu Überzeugen, dass in der zeitgenössischen Literatur wieder etwas los ist. Ob das so stimmt, bleibt dahingestellt, aber eins ist sicher: im Kopf der französischen Übersetzerin Sarah Raquillet, da ist etwas los ! Man kann es auch zu benennen versuchen: Frankreich hört genau hin, der Übertragungsprozess verhilft dem Werk zu neuer Schärfe, befruchtet das französische Denken, dass sich schon lange auf den Denkkanon der Deutschsprachigen eingestellt hat, und sich an ihrer Begrifflichkeit schulen konnte.

Ganz nebenbei, vielleicht haben die deutschen Übersetzer vor einem halben Jahrhundert von den Impulsen der damals besonders innovativen französischen Literatur profitiert, und waren damals im Vergleich zu den Franzosen ihrerseits besser.

0716d02d-046a-4b9f-91c8-d400c6daeb7e.jpg

Die französische Übersetzerin Sarah Raquillet erzählt Spannendes über lexikalische Entscheidungen beim Übersetzen von Hartmut Rosa